Dichtung. Alle diese Bezeichnungen treffen zu. Sie thematisieren zentrale Lebens- und Glaubensfragen (Weisheit), ermutigen zu deren Umsetzung (Lehre) und sind zudem in einer besonders schönen sprachlichen Form dargebracht (Poetik, Dichtung). Sie sind als Fünfergruppe zwischen die Geschichtsbücher (Mose bis Esther) und die Propheten (Jesaja bis Maleachi) positioniert. »Gepflanzt am frischen Wasser« behandelt die wichtigen Fragen zu diesen weisheitlich-poetischen Büchern: Wer ist ihr Verfasser und in welcher Zeit wurden sie geschrieben? Wie sind diese Bücher aufgebaut, welche Theologie vertreten sie und was sind ihre besonderen Merkmale? Vorliegendes Buch bildet somit eine Fortsetzung meiner 2022 bei Francke-Buch erschienenen Einführung in die alttestamentlichen Geschichtsbücher mit dem Titel »Reiseziel Altes Testament«.
Ein besonderes Kennzeichen dieser biblischen Bücher ist Weisheit und Poetik. Doch was ist Weisheit? Und was ist Poetik? Weisheit ist aus Sicht des Alten Testaments eine Fähigkeit, die Fragen des Lebens aus Gottes Perspektive zu beantworten und die Antworten im eigenen Leben konkret umzusetzen. Weisheit ist daher sehr lebenspraktisch ausgerichtet und ohne eine innige und feste Beziehung zum lebendigen Gott nicht zu denken. Bemerkenswert ist nun, dass die biblischen Texte, die über die Weisheit reden, in einer gehobenen Sprache formuliert sind. Sie sind ästhetisch und ansprechend gestaltet, voll mit besonderen Stilmitteln und bildhaften Vergleichen. Wenn wir uns mit den oben genannten biblischen Büchern befassen, dann stoßen wir auf Schritt und Tritt auf Weisheit und Poetik. Deshalb müssen wir uns beide Bereiche genauer ansehen. Daher liegt hier zugleich auch eine Einführung in die Weisheit und in die Poetik des Alten Testaments vor.
Die Weisheit und die Poetik, die für die sogenannten poetisch-weisheitlichen Lehrbücher so wesentlich bestimmend sind, lassen sich wiederum nicht auf die oben genannten fünf biblischen Bücher begrenzen. Auch andere biblische Bücher thematisieren weisheitliche Themen. Und es gibt auch in anderen Büchern des Alten Testaments ausgeprägte sprachliche Ästhetik – also Poetik. Ein weiteres Buch, das in besonderer Weise von poetischer Sprache geprägt ist, sind die Klagelieder. Es liegt daher nahe, auch dieses besondere Buch genauer anzusehen. Und ein weiterer Abschnitt des Alten Testaments ist noch besonders wichtig für das Thema Weisheit: die Urgeschichte in den ersten elf Kapiteln der Bibel. Sie entfaltet die weisheitliche Sicht Gottes auf den Menschen und ist grundlegend für die Frage, wie man sein Leben vor Gott gestalten kann. Daher werden wir auch die Urgeschichte näher betrachten.
Man kann nun dieses Buch unter drei Gesichtspunkten lesen: Erstens als eine Einführung in die Bücher Hiob, Psalmen, Sprüche, Prediger, Hoheslied sowie Klagelieder und Urgeschichte in Gen 1-11, zweitens als eine Einführung in die Art und Weise, wie Poetik im Alten Testament Anwendung findet, und drittens als eine Einleitung in den Themenbereich der Weisheit im Alten Testament. Der Aufbau des Buches ist folgender: (I) Im ersten Hauptteil des Buches fragen wir danach, (a) was Weisheit aus biblischer Sicht bedeutet und (b) welche Merkmale die besondere und stilvolle Gestaltung der Texte, also die Poetik, aufweist und welche Wirkung diese entfaltet. (II) Der zweite Hauptteil des Buches führt dann in die oben genannten weisheitlich-poetischen Bücher des Alten Testaments ein. (III) Der dritte Hauptteil widmet sich der Urgeschichte und ihrer weisheitlichen Sicht auf den Menschen. Aus diesem biblischen Textabschnitt lernen wir Grundlegendes darüber, wie Gott den Menschen gedacht hat und wie er ihn sieht. »Gepflanzt am frischen Wasser« kann man von vorne nach hinten durchlesen, muss man aber nicht. Die einzelnen Kapitel sind im Großen und Ganzen auch in sich verständlich. So kann man sich bei der Lektüre gerne zunächst auf das konzentrieren, was einen am meisten anspricht. Oder man kann dieses Buch als Nachschlagewerk benutzen.
Bibelzitate
Die Ausführungen in diesem Buch sind durchweg sehr eng an Bibeltexten orientiert, daher gibt es auch viele Bibelstellen-Angaben. Sie sind vor allem dazu gedacht, dass man an der einen oder anderen Stelle selbst weiterforschen kann. Meistens sind sie in Klammern geschrieben, damit sie den Lesefluss nicht zu sehr unterbrechen. Die Bibelzitate in diesem Buch sind kursiv gesetzt. Sie sind in der Regel eigene Übersetzungen, oftmals in Anlehnung an die Lutherbibel oder die Elberfelder-Übersetzung. Die Übersetzungen folgen keiner in sich geschlossenen Übersetzungsregel. Sie sind vielmehr je nach Bedarf mal enger am hebräischen Text, mal dynamisch-äquivalenter gehalten. Geht es mehr darum, die genaue Form des hebräischen Textes deutlich zu machen, sind sie wörtlicher gehalten und enger am hebräischen Satzbau orientiert. Dann ist der deutsche Stil notgedrungen etwas ungelenker oder holpriger. Geht es mehr um eine Verdeutlichung der Inhalte eines Textes, ist die Übersetzung freier vorgenommen, sodass er in der deutschen Zielsprache besser zu lesen und zu verstehen ist.
Der Name Gottes ist Jahwe. In vielen deutschen Bibeln ist er in Großbuchstaben als »HERR« wiedergegeben. Im Hebräischen hat dieser Name folgende vier Konsonanten (Mitlaute): JHWH. Dieses sogenannte Tetragramm (von griechisch tetra »vier« und gramma »Buchstabe«) verwende ich in den übersetzten Bibelversen. Die Abkürzungen für die Bibelstellenangaben können durch das Abkürzungsverzeichnis am Buchende entschlüsselt werden. Die Bibelstellenangaben in den Apokryphen sind in den verschiedenen Bibelausgaben nicht einheitlich; die Angaben in diesem Buch richten sich nach der Vers-Nummerierung in der Lutherübersetzung von 2017. Wie die Bibelzitate, so sind auch hebräische, griechische und lateinische Begriffe kursiv gesetzt. Um die Lesbarkeit zu erhöhen, wurde auf einen Fußnotentext verzichtet. Am Ende des Buches aber finden sich Hinweise auf weiterführende Literatur.
Danksagung
An dieser Stelle danke ich allen Unterstützern, Ermutigern und Ermöglichern dieses Projekts, besonders meiner Familie, meinen Freunden, meinen Alttestamentler-Kollegen aus dem Kreis der FAGAT (Facharbeitsgruppe Altes Testament als Teil des Arbeitskreises für evangelikale Theologie), den Studierenden der IHL (Internationale Hochschule Liebenzell) und der TAS (Theologische Akademie Stuttgart) sowie der Leiterin des Verlags Francke-Buch, Anne-Ruth Meiß. Sie alle haben durch ihren Zuspruch, durch ihre erwartungsvollen und konstruktiven Nachfragen sowie durch ihre Vorschläge und Verbesserungshinweise zum Gelingen dieses Projekts beigetragen. Dankbar bin ich auch meinen theologischen Lehrern (Hebr 13,7), von denen ich sehr profitiert habe. Stellvertretend will ich hier Karl-Heinz Bormuth, Werner Stoy, Roland Werner und Erhard Blum nennen, von denen ich besonders viel über das Alte Testament lernen konnte. Über allem danke ich besonders Gott, der mir auf dem Weg des Forschens für vorliegendes Buch in seinem Wort viele persönliche Impulse geschenkt hat.
Mir hat die Arbeit an diesem Buch viel Freude gemacht. Die Schönheit, die von biblischer Poetik ausgeht, und die Kraft zur Lebensgestaltung, die in der Weisheit der Bibel steckt, haben mich neu fasziniert. Ich lese das Alte Testament stets mit der Erwartung, dass es als das Wort Gottes mir als gläubigem Christen Wegweisung gibt. Paulus hat das in 2Tim 3,16 mit Blick auf das Alte Testament so formuliert: Alle von Gott eingegebene Schrift ist nützlich zur Lehre. Diese Nützlichkeit ist besonders in der Weisheit des Alten Testaments greifbar und wird schnell auch für das eigene Leben konkret. Das Alte Testament ist und bleibt für uns Christen als erster Teil der Bibel eine wesentliche Grundlage unserer Lehre, und damit auch unseres Lebens. Wir werden aber auch immer wieder einen Blick auf Aussagen des Neuen Testaments werfen.
Nun wünsche ich Ihnen viel Freude beim Lesen, viele Neuentdeckungen und möglichst großen persönlichen Gewinn für Ihren Glauben und Ihr Leben.